In diesem Beitrag wird das Werden des früheren litauischen Staatsgebildes als ein Prozess der Herausbildung und der Intensivierung der politischen-administrativen Strukturen verstanden. So gesehen, erweist sich die Entstehung des litauischen Reiches als ein ungleichmäßig verlaufender Vorgang, bei dem die Modernisierungsschübe von den Rückfällen begleitet wurden.
Die vergleichende europäische Geschichte beweist, dass die Änderungen in der Verfassung der west- und ostmitteleuropäischen Länder erst während des späteren Mittelalters stattfanden. Die Hauptmerkmale dieser Entwicklung waren: 1) die Entstehung des Konzeptes der Rechte des Landesherrschers auf das ganze Territorium des Landes („domini / haeres naturales“); 2) die Rezeption des Regalienrechtes; 3) die Bildung der territorialen Organisation; 4) die Formierung des institutionellen Hofes und des Amtersystems.
Ein heterogenes politisches System blieb im Großfürstentum Litauen bis zur Vytautas-Zeit (1392-1430) bestehen, als dieser Großfürst im Anschluss an westeuropäische Beispiele eine neue territoriale und administrative Struktur zu bauen begann. Jetzt, als nach der Einführung des Christentums die andauernde politische Isolierung Litauens zu Ende ging, entstanden die Bedingungen, Reformen durchzuführen, die sich mit der fortschreitenden Territorialisierung und Verwaltungsausbau offenbarten.
Während des 15. Jahrhunderts ist hier eine neue Institutionskultur erschienen. Eine wichtige Rolle im Laufe dieser Reformen hat der neu gegründete institutionelle Hof des Großfürsten gespielt.
In der frühen Geschichte Litauens können wir nicht vermeintlich allmähliche Steigerung der großfürstlichen Macht beobachten, sondern eher bestimmte Zeitabschnitte unterscheiden, in denen es den einzelnen Herrschern (etwa Mindaugas, Gediminas oder Vytautas) gelang, den Hochadel um sich zusammenzuziehen und die Veränderungen im Herrschaftssystem anzuregen. So ging die Bildung der staatlichen Organisation bzw. der Prozess der inneren Konsolidierung des Landes und der Modernisierung der politischen Institutionen voran, an dem die großfürstliche Dynastie und der Adel gleichermaßen beteiligt waren.
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