Kalbotyra ISSN 1392-1517 eISSN 2029-8315

2022 (75) 133–137 DOI: https://doi.org/10.15388/Kalbotyra.2022.75.6

Book reviews

Stil – Denkstil – Text – Diskurs. Die Phänomene und ihre Zusammenhänge, Ulla Fix, Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur, Berlin (2021). 570 S., ISBN 978-3-7329-0754-0 (Print), ISBN 978-3-7329-9212-6 (eBook).

Rezensiert von / Reviewed by Marcelina Kałasznik
University of Wrocław
Faculty of Philology
pl. Nankiera 15b
50-140 Wrocław, Poland
E-Mail: marcelina.kalasznik@uwr.edu.pl

Kategorien wie Stil, Denkstil, Text und Diskurs sind äußerst facettenreich und können vielfältig aufgefasst werden. Eindeutig bestätigt das die Monographie Stil – Denkstil – Text – Diskurs. Die Phänomene und ihre Zusammenhänge von Ulla Fix, die 2021 im Verlag Frank & Timme erschienen ist. Der Band versammelt die Aufsätze und Vorträge der Autorin aus den Jahren 2012–2020, von denen manche bereits an anderen Stellen veröffentlicht wurden1 und andere zum ersten Mal in der Printversion publiziert werden. Das Ziel des Bandes besteht darin, die Aufsätze aus diesen vier im Titel der Monographie genannten thematischen Bereichen an einer Stelle zusammenzustellen und dadurch ihre gemeinsame Rezeption zu ermöglichen. Wie Ulla Fix verdeutlicht, gibt es zwischen diesen thematischen Bereichen zahlreiche Relationen und Überscheidungen, so dass „[sich] erst im Kontext [zeigt], wie sehr das Verständnis der Phänomene Stil, Denkstil, Text und Diskurs auf die Einsicht in die zwischen ihnen bestehenden Zusammenhänge angewiesen ist“ (S. 7, Hervorhebungen im Original). Der Band vereinigt einerseits theoretisch ausgerichtete Beiträge, die insbesondere darauf abzielen, die Interdisziplinarität der analysierten Kategorien hervorzuheben. Andererseits umfasst er auch Studien, in denen gezeigt wird, wie die theoretischen Ansätze in die Praxis umgesetzt werden können. Der Band besteht aus drei Teilen: Stil / Stilistik, Denkstil / Geschichte der Sprachwissenschaft und Text / Diskurslinguistik, die im Folgenden kurz besprochen werden.

Der erste Teil Stil / Stilistik enthält sieben Beiträge, in denen unterschiedliche Aspekte des Stils besprochen werden. Im ersten Aufsatz, betitelt Stil, wird auf die Vielfalt der Verstehensweisen von Stil hingewiesen und zugleich zwischen textinternen sowie textexternen Stilauffassungen differenziert. Unabhängig von einem jeweiligen Verständnis des Begriffes Stil stellt sich heraus, dass mit Stil die Frage WIE verbunden ist, d. h. in Bezug auf den sprachwissenschaftlichen Stilbegriff eine jeweilige sprachliche Realisierungsform eines Textes. Daraus ergibt sich das Postulat, das Phänomen Stil im Deutschunterricht einzubeziehen, weil es etwas über die situativen Faktoren der Entstehung eines Textes, über seinen Produzenten und Rezipienten, über ihre kommunikativen Absichten usw. aussagt. Im Beitrag Stilnormen und Stilkritik wird gezeigt, auf welche Art und Weise in verschiedenen Veröffentlichungen und nach verschiedenen Forschungsrichtungen bestimmte Stilnormen vermittelt werden. Im Aufsatz Kulturwissenschaftliche Orientierung in der Stilistik wird das Phänomen Stil mit Kultur in Verbindung gesetzt und auf die Kultur bezogen. Es wird gezeigt, wie stark der Stil in einer Kultur verankert und von einer Kultur abhängig ist. Im Anschluss daran wird in der Studie Kulturbezogene Textlinguistik und kulturanalytische Textstilistik anhand einer Analyse der Ersten Balkonrede Wilhelms II. im Jahre 1914 und des 29. Feldpostbriefes des Kanoniers Keller aus Szirgupoenen präsentiert, wie man mit textlinguistischen und textstilistischen Instrumenten Texte erforschen kann, damit ihre kulturelle Dimension besonders hervorstechen könnte. Im nächsten Text Der Stilbegriff in der Soziologie schlägt Ulla Fix, angespornt von Bernd Spillner, der in seinen Untersuchungen sprach- und literaturwissenschaftliche Herangehensweisen an die Kategorie Stil zu verbinden sucht, eine Brücke zwischen sprachwissenschaftlicher und soziologischer Betrachtung des Stils. Vor dem Hintergrund theoretischer Ausführungen wird an konkreten Textbelegen gezeigt, wie linguistische und soziologische Stilansätze kombiniert und erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden können. In einem weiteren Beitrag Stilistik als Forschungs- und Lehrgegenstand an den Hochschulen der DDR wird der Stellenwert des Gebiets Stilistik an den Hochschulen der DDR besprochen. Den ersten Teil der Monographie schließt den Beitrag Sakralisierung und Historisierung der Sprache in Fantasy-Literatur, in dem die Fantasy-Literatur im Hinblick auf ihren Stil, d. h. die Mischung aus alten, religiösen und sakral wirkenden Elementen, untersucht wird. Auf der Grundlage der Analyse des Buches „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien wird dargestellt, wie die einzelnen Elemente zusammenspielen, welche Botschaft mit ihnen vermittelt wird und welches Wirkungspotenzial der für die Fantasy-Literatur charakteristische Stil entfaltet.

Den zweiten Teil Denkstil / Geschichte der Sprachwissenschaft eröffnet der Beitrag Undefinierte Grundbegriffe. Zum Umgang mit (bisher unhinterfragten) Denkformen, in dem die Vielfalt der Auffassungsweisen der grundlegenden Denkfiguren am Beispiel von ‚Stil‘, ‚Gestalt‘ und ‚Interpretation‘ gezeigt wird. Die Autorin erörtert in diesem Kontext die Vor- und Nachteile der terminologischen Offenheit von jenen Kategorien, die für Diskurse verschiedener wissenschaftlicher Zweige fundamental sind. Eine Art Vertiefung und Fortsetzung der Inhalte des ersten Aufsatzes bildet der nächste Beitrag ‚Gestalt‘ – Eine Denkstil-Figur der Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts. Rückblick in Beispielen: Brinkmann, Feilke, Sandig. Ulla Fix greift hier die Kategorie ‚Gestalt‘ nach der Auffassung von Fleck auf und versucht zu zeigen, wie er sie näher bestimmt und einsetzt. Ein weiterführender Einblick in die Ansichten von Ludwik Fleck wird in dem nächsten Beitrag Denkstil und Sprachgestalt. Die Funktion von Sinn-Sehen und Sinn-Bildern für die „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“ gewährt. Hierin unternimmt die Autorin den Versuch, die von Fleck gebrauchte Kategorie des Denkstils mit der der Sprache in Verbindung zu setzen. Ein weiterer Aufsatz befasst sich mit dem auf der Tagung zu Stilfragen gehaltenen Vortrag von Gotthard Lerchner, in dem er für die Auseinandersetzung mit Denkstilen von Epochen und Zeiten plädiert. Dadurch führt er die Kategorie des Denkstils in die Sprachwissenschaft ein. Da dieser Begriff bereits von Forschern anderer Arbeitsbereiche (wie von dem schon erwähnten Ludwik Fleck) gebraucht wurde, wird in dem Beitrag gezeigt, wie Lerchner den Denkstil auffasst und wie sich seine Auffassung von der von Fleck unterscheidet. Im nächsten Beitrag Denkstile, Metaphern und wissenschaftliches Schreiben wird ebenfalls auf die Theorie von Fleck und auf seinen Denkstil-Begriff Bezug genommen. Diese werden allerdings dazu herangezogen, um auf den Widerspruch zwischen der Tendenz, bestimmte Theorien oder Paradigmen mit metaphorischen Ausdrücken zu benennen, einerseits und dem generellen Vermeiden von Metaphern in wissenschaftlichen Texten andererseits hinzudeuten. Ulla Fix setzt sich anhand erörterter Argumente für die Verwendung von Metaphern in wissenschaftlichen Texten ein und glaubt, dass die Merkmale von Metaphern als Mehrwert für das wissenschaftliche Schreiben gesehen werden sollten. Mit dem nächsten Beitrag Denkstilwandel in der Textlinguistik. Vom Text als strukturelle und kommunikativer Einheit zum Text in Welt- und Zeichenbeziehungen wird die Entwicklung der Textlinguistik verfolgt. Dabei wird gezeigt, wie der Text als der Gegenstand dieser sprachwissenschaftlichen Subdisziplin auf den einzelnen Etappen aufgefasst wurde. Vor diesem Hintergrund wird gefragt, welcher Denkstil die jeweilige Entwicklungsepoche der Textlinguistik geformt hat. Im Beitrag Der Wandel von Denk- und Sprachstilen in der Sprachwissenschaft. Zur Textsorte ‚wissenschaftlicher Aufsatz‘ in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts untersucht Ulla Fix sprachwissenschaftliche Aufsätze aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei sie das Ziel verfolgt, auf dieser Grundlage den Wandel von Denkstilen und damit auch den Sprachstilen zu verdeutlichen. Der Vergleich analysierter Texte lässt den Schluss zu, dass sie, obwohl sie alle der Textsorte ‚wissenschaftlicher Aufsatz‘ angehören, auch andere Merkmale aufweisen. Dies lässt sich laut Fix darauf zurückführen, dass jede Disziplin eigene Ansätze, Methoden und damit auch Denk- sowie Sprachstile entwickelt. Ein weiterer Beitrag „Braucht die Germanistik eine germanistische Wende?“ – Sie braucht sie. Wozu? Aber sie hat kein Interesse daran. Warum? setzt sich mit der gegenseitigen Stellung der Literaturwissenschaft und Linguistik auseinander. In dem Aufsatz wird gezeigt, was die beiden Disziplinen gemeinsam haben, wovor sie sich scheuen und warum sie ohneeinander nicht funktionieren sowie existieren können.

Der dritte Teil des Bandes diskutiert Fragen aus dem Gebiet der Text- und Diskurslinguistik. Im ersten Beitrag dieser Sektion Text(sorten)linguistik als Querschnittsdisziplin – Thesen wird auf die Rolle und die Stellung der Text(sorten)linguistik aufmerksam gemacht. Dabei wird von Ulla Fix dafür plädiert, Text(sorten)linguistik als eine Querschnittsdisziplin aufzufassen. Sie bietet nämlich konkrete Zugangsmethoden zum Phänomen Text an, die sich in verschiedenen textbezogenen Disziplinen umsetzen lassen. Im nächsten Aufsatz Überdisziplinäres Textsortenwissen. Voraussetzung für die Arbeit von „Textfächern“ wird gezeigt, dass Texte keine nur sprachlichen Erscheinungen sind, sondern als Instrumente zur Erkenntnis gelten, in einer Kultur verankert sind und von der jeweiligen Kommunikationssituation abhängen. Diese breite Auffassung des Textbegriffs verdeutlicht, dass die textlinguistischen Ansätze weit über das Sprachliche hinausgehen müssen und interdisziplinär angelegt werden sollten. Dies wird in dem Beitrag anhand der Analyse von Spruchtexten veranschaulicht. In dem Text Aktuelle Tendenzen des Textsortenwandels – Thesenpapier werden die Tendenzen und die Richtungen des Wandels von Textsorten skizziert. Es wird auf bestimmte Erscheinungen eingegangen, wie z. B. Vermischtheit, Vernetzheit, Nichtabgeschlossenheit u. a., die die Wandlungsprozesse beeinflussen. Der nächste Aufsatz Die EIN-Text-Diskursanalyse. Unter welchen Umständen kann ein einzelner Text Gegenstand einer diskurslinguistischen Untersuchung sein? beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit es als begründet erscheint, einen Einzeltext aus diskurslinguistischer Perspektive zu untersuchen. Die Autorin sieht ein, dass die meisten Ansätze der Diskurslinguistik von einer gewissen Serialität der Texte und der sog. Übertextlichkeit des Untersuchungsgegenstandes ausgehen, so dass sich in diesem Sinne die Frage aufwirft, ob oder inwieweit die Einzeltextanalysen für einen Diskurs stellvertretend und daher gerechtfertigt sein können. Die Autorin vertritt die Meinung, dass bei manchen – besonders bedeutenden – Texten ihre Untersuchung aus diskurslinguistischer Sicht durchaus möglich und angebracht ist, was sie mit Vorschlägen zur Auswahl von solchen Texten und mit zahlreichen Argumenten untermauert. Ein weiterer Beitrag Diskurslinguistik und Stil stellt das Verhältnis zwischen Stil und Diskurs und damit zwischen Stilistik und Diskurslinguistik sowie das Verständnis des Stils in der Diskursforschung dar. Hierbei wird darauf abgezielt, die Auffassung des Stils aus diskurslinguistischer Perspektive zu erweitern und über die herkömmliche Auffassung des Stils als einer Beschreibungskategorie hinauszugehen. Die Studie Diskurslinguistik und literarische Texte sucht die Relation zwischen der Diskurslinguistik und literarischen Texten auszuloten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob oder inwieweit literarische Texte als Gegenstand der Diskurslinguistik angesehen werden können. Diese Fragestellung erweist sich als äußerst wichtig, da man einerseits, ohne Linguist zu sein, literarische Texte von den anderen Texten intuitiv unterscheiden kann. Andererseits fehlt den literarischen Texten das für die Diskurslinguistik relevante Merkmal der Serienhaftigkeit, d. h. es handelt sich dabei gewöhnlich nicht um ein Bündel von Texten. Auf der Grundlage der Analyse von Gedichten wird gezeigt, wie das diskurslinguistische Instrumentarium in Bezug auf literarische Texte angewendet werden kann und wie man bei der diskurslinguistischen Erforschung von solchen Texten vorgehen sollte. Ein weiterer Beitrag „Schwere Texte“ in „Leichter Sprache“. Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen (?) aus textlinguistischer Sicht setzt sich mit der Frage auseinander, ob die maximale Vereinfachung von Texten eine gute Lösung ist, um ihre Verständlichkeit zu steigern. Aus der Analyse von religiösen und literarischen Texten ergibt sich die Schlussfolgerung, dass es in vielen Fällen besser ist, auf die Vereinfachung der Sprache zu verzichten und den Leser dazu aufzufordern, sich bei der Rezeption eines Textes anzustrengen. Die Verwendung einer leichten Sprache kann als eine gute Lösung angesehen werden, wobei man dabei auch die ästhetische Seite und die sakrale Dimension eines Textes nicht aus den Augen verlieren sollte. In einem weiteren Text Analysieren, Verstehen und Interpretieren in der Sprachwissenschaft. Aus wissenschaftshistorischer und aktueller Perspektive wird die Aufmerksamkeit auf den grundlegenden Terminus ‚Interpretieren‘ gelenkt. Gezeigt wird, wie dieser Begriff in unterschiedlichen Disziplinen verstanden wird und was die einzelnen Auffassungen gemeinsam haben. Der Band wird mit dem Aufsatz Mögliche Zugänge zur Textualität: Wortfelder, Frames, Scripts, Narrationen. Nachtrag zum Textlinguistischen Repetitorium abgerundet, in dem Ulla Fix auf den eigenen Text Bezug nimmt, der als Kapitel in dem 2006 veröffentlichten Band Textgrammatik-Textsemantik-Textstilistik: ein textlinguistisches Repertorium von Stojan Bracic, Ulla Fix und Albrecht Greule erschienen ist. Der von Fix beigesteuerte Beitrag betraf die Stilistik von Texten. Der die Monographie abschließende Aufsatz versteht sich als eine Ergänzung des im Textlinguistischen Repetitorium publizierten Textes.

Der umfassende und sehr inhaltsreiche Band, der 2021 von Ulla Fix veröffentlicht wurde, konnte an dieser Stelle nur in groben Zügen präsentiert werden. Ohne Weiteres lässt sich feststellen, dass die Bandbreite der Themen, die vom Stil über Text bis zum Diskurs reicht, eine interessante Lektüre verspricht. Wie die Autorin im Vorwort zu diesem Band anmerkt, lassen sich die hier vorgestellten Phänomene nicht ohne Bezug auf die benachbarten Kategorien erschließen und begreifen. Ein besonderer Mehrwert, der sich aus diesem Kompendium zur Stilistik, Text- und Diskurslinguistik ergibt, ist die Möglichkeit, diese drei Erscheinungen in ihrem Zusammenspiel zu betrachten und deren Auffassungsweisen nach Ulla Fix verfolgen zu können. Auf jeden Fall kann man durch die Lektüre der in diesem Band zusammengestellten Beiträge sein Wissen im Bereich der Stilistik, Text- und Diskurslinguistik ordnen und systematisieren.


1 Dazu vgl. die Webseite von Ulla Fix: https://home.uni-leipzig.de/fix/PublikationenAufsaetze.html, Zugriff am 20.10.2021.