Das Hügelgräberfeld in Kybartiškė (Rayon Šiauliai (Schaulen), Gemeinde Raudėnai) befindet sich 2 km westlich vom Städtchen Raudėnai und etwa 550 m nördlich von der alten Landstraße Raudėnai-Tryškiai.
Am 4.Juli-5.August 1969 hat die Expedition der damaligen Sektion Archäologie des Historischen Instituts der Akademie der Wissenschaften Litauens, die der Autor dieser Zeilen leitete, das genannte Hügelgräberfeld untersucht.
Im Hügelgräberfeld von Kybartiškė waren noch 5 Einzelhügelgräber und eine Gruppe gleichsam miteinander verbundener Aufschüttungen der Hügelgräber erhalten geblieben. Die Mehrheit der Hügelgräber war leicht beschädigt, mit Löchern übersät, die Steinkreise waren entfernt. Auf dem Territorium des Hügelgräberfeldes lagen die Schützengräber des Ersten Weltkrieges. Außerdem wurde während der Ausgrabungen festgestellt, dass die Hügelgräber der älteren Eisenzeit beschädigt waren, als im 16.-17.Jh. hier ein Dorffriedhof eingerichtet wurde.
Während der Ausgrabungen im Jahre 1969 entdeckte man 4 gut erhaltengebliebene Hügelgräber (I-IV), in denen man Gräber aus der älteren Eisenzeit (der römischen Kaiserzeit) und aus der jüngeren christlichen Zeit vorgefunden hat, die in die Aufschüttungen der Hügelgräber hinein gegraben waren.
Im Artikel wird ein ausführliches Ausgrabungsmaterial des Hügelgräberfeldes in Kybartiškė veröffentlicht.
Die zum Teil beschädigten Aufschüttungen der Hügelgräber lagen von 0,6 m (Hügelgrab IV) bis 0,9-1,1 m (Hügelgräber I, II und IV) oberhalb der Erdoberfläche. Ein Teil der Aufschüttungen waren oval (Hügelgrab II) oder hatten eine unregelmäßige Kreisform (Hügelgrab 1). Die Größe der Aufschüttung des Hügelgrabes I war 7 × 9,5 m, die des Hügelgrabes II 9,3 × 11 m. Alle Hügelgräber waren aus der umliegenden Erde - dem Sand mit Tonbeimischung - aufgeschüttet.
Am Rande der Aufschüttungen fand man Steinkreise, die aus Steinen verschiedener Größe gemacht worden waren. Der Steinkreis des Hügelgrabes I war rund, sein Durchmesser auf der inneren Seite betrug 4,9 × 5,6 m. Am nördlichen Teil des Hügelgrabes II gab es einen runden Steinkreis (der Durchmesser auf der inneren Seite betrug 5,4-5,8 m), an dessen südlichen Seite sich ein halbkreisförmiger Anbau befand. Im Unterschied dazu war das Hügelgrab III anders eingerichtet. In der Tiefe von 0,3-0,4 m wurden zwischen den Steinkreisen nicht vollständig ordentlich gelegte Decksteine gefunden.
Im Hügelgrab I fand man ein halbzerstörtes Männergrab (Nr. 4), im Hügelgrab III noch ein kaum erhaltengebliebenes Grab (Nr. 1). In den Hügelgräbern III und IV gab es Einzelfunde, die davon zeugen, dass es mehrere Gräber gab, die aber zerstört wurden.
In der römischen Kaiserzeit wurden die Toten unverbrannt bestattet. Die Beigaben waren nicht zahlreich. Im Männergrab (Hügelgrab I, Grab 4) fand man ein Tüllenbeil und eine Lanzenspitze mit Tülle. Im Grab mit einer Person nicht festgestellten Geschlechts (Hügelgrab III, Grab 1) wurde eine bronzene Augenfibel der Hauptserie, ein Armring mit Knopfenden und Fragmente eines anderen gefunden. Die Augenfibel gehört zum Typ 52 (A52) der Hauptserie von O. Almgren. Man hat nicht viele Augenfibeln dieses Typs in Litauen gefunden. Die Augenfibeln des Typs A51 und A52 datiert man ins Ende der Stufe B1 und den Anfang der Stufe B2.
Zufällig hat man eine Augenfibel der preußischen Serie (A57) gefunden, die man in den Anfang der Stufe B2 datiert. Die Armringe mit Knopfenden datiert man ins Ende der Stufe B1 und den Anfang der Stufe B2.
Von den Werkzeugen wurden 3 eiserne Tüllenbeile (Hügelgrab I, Grab 4, Hügelgrab III und IV - Einzelfunde), von den Waffen dagegen eine Lanzenspitze mit Tülle (Hügelgrab I, Grab 4) gefunden.
Die Funde in den Gräbern, auch Einzelfunde, erlauben es zu schlussfolgern, dass man Ende der Stufe B1 und Anfang der Stufe B2 (d.h. in der zweiten Hälfte des 1.Jhs.) damit begann, die Toten in den Hügelgräbern von Kybartiškė zu bestatten. Das Hügelgräberfeld von Kybartiškė ist eines der ältesten Bestattungsdenkmäler auf dem Territorium von Žemaitija (Schmudenland) und Nordlitauens.
Was die Bestattungsriten anbelangt, so unterscheidet sich das Hügelgräberfeld in Kybartiškė kaum von anderen Hügelgräbern der römischen Kaiserzeit auf dem genannten Territorium. In den Hügelgräbern wurden unverbrannte Toten beigesetzt, auf dem Grunde der Gräber entdeckte man vorwiegend Steinkreise. Nur die Einrichtung des Hügelgrabes III unterschied sich von anderen - in seiner Aufschüttung wurden zwischen den Steikreisen Decksteine gefunden.
Das Hügelgräberfeld in Kybartiškė befindet sich im Grenzgebiet der Stammverbände der Schmuden und der Semgallen, die man besser aus den Denkmälern der mittleren Eisenzeit kennt, aber immerhin noch auf dem “ursamogitischen” Territorium.
Im Anhang des Artikels wurden die jüngeren Gräber der christlichen Zeit besprochen, die in die Aufschüttungen hineingegraben waren. So fand man im Hügelgrab I 5 jüngere Gräber, im Hügelgrab II - 14 Gräber, im Hügelgrab IV - 2 Gräber. Insgesamt hat man 21 jüngere Gräber ausgegraben, die ins 16.-17.Jh. datiert wurden.
Die Toten hat man im Dorffriedhof von Kybartiškė unverbrannt bestattet Die Gräber lagen 35-40 cm bis 90 cm unter der Erdoberfläche Die Toten lagen auf dem Rücken mit ausgestreckten Beinen. da. Die Lage der Arme war verschieden. Nach dem christlichen Ritus wurden die Toten meistens mit dem Kopf nach Westen beigesetzt, obwohl es auch Fälle gab, wo die Bestattungsrichtung anders war (nach Süden oder Norden).
Die Beigaben den Toten sind nicht zahlreich. Meistens handelt es sich um die Gegenstände, die zum Ausstattungs-komplex der Menschen im 16.-17.Jh. gehörten. Das sind eiserne Messer mit Holzgriff, eiserne Schnallen, verschiedene kleine bronzene Schmucksachen für Kleidung und Arme (Fibeln, Fingerringe). Man fand auch solche Beigaben, die die Traditionen des älteren Bestattungsritus widerspiegeln. Im Männergrab Nr. 14 des Hügelgrabes II fand man neben dem eisernen Messer auch einen eisernen Feuerstahl, im Männergrab Nr. 6 des Hügelgrabes I eine eiserne Kleinaxt. Der letztere Fund zeugt von der Fortsetzung der Traditionen aus der jüngeren Eisenzeit, wenn man den Toten zierliche Kopien der Gegenstände ins Grab beilegte. So zeigen die Einzelfunde, dass man den Männern manchmal Lanzen mit eisernen Spitzen, auch Schleifsteine, in die Gräber hineinlegte.
Am zahlreichsten sind verschiedene Bronzefingerringe vertreten. Darunter befinden sich Fingerringe mit dem Monogramm “IHS”, ein Attribt des christlichen Glaubens in den jüngeren Gräbern. Münzen hat man in den Gräbern und auch einzeln gefunden. Das sind litauische silberne Münzen (ein Halbgroschen und ein Doppeldenar von Sigismund August, eine polnische Silbermünze (ein Halbgroschen von Sigismund I.), die Rigaer Münzen der polnisch-litauischen Herrscher (Schillinge von Sigismund III. Wasa), die Rigaer Münzen der schwedischen Herrscher (Schillinge von Gustav Adolf).